Anstelle der alten, der hl. Maria geweihten Kapelle, deren Reste noch in einem Gebäude südlich der Stadtkirche sichtbar sind, wurde in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Stadtkirche im Stil der Spätgotik errichtet. Von dieser Kirche sind noch Reste im dreiseitig geschlossenen Chor mit seinem Netzrippengewölbe und im unteren Teil des Turmes erhalten. Das Kirchengebäude wurde mehrmals durch Umbauten den wechselnden Bedürfnissen des Gottesdienstes angepasst.
1609-1611 wurde das vorhandene Kirchenschiff abgebrochen. Unter der Leitung von Baumeister Georg Kern erhielt der Neubau seine heutige Ausdehnung. Bauherren waren Graf Wolfgang und dessen Sohn Kraft. Graf Kraft bestimmte die Kirche zur Grablege seines Hauses. Er war der erste Hohenlohe, der in der Gruft unter dem Chor beigesetzt wurde. Sieben Angehörige der Adelsfamilie fanden hier ihre letzte Ruhestätte. Der allgemeine Friedhof, der einst um die Kirche herum lag, wurde im 17. Jahrhundert vor die Stadt verlegt. Sicher waren die Pestseuchen, die im Dreißigjährigen Krieg auch in Neuenstein zahlreiche Opfer gefordert hatten, mit ein Anlass für die Neuanlage eines Friedhofes.
1699 wurde vor dem Haupteingang der Stadtkirche ein pavillonartiger Vorbau errichtet, das Epitaphium. Hier war ursprünglich das Kenotaph (leeres Grabmal) des letzten Grafen von Hohenlohe-Neuenstein, Wolfgang Julius, untergebracht. Dieser hatte sich in den Türkenkriegen als kaiserlicher General verdient gemacht, daher auch der Halbmond mit Stern auf dem Dach des Anbaus.
1885 brannte der Kirchturm bis auf dem Umgang nieder und wurde in seiner heutigen Form neu aufgebaut. Mit seiner Höhe von 50 Metern ist er ein prägender Punkt im Stadtbild. Von dort oben die Stadt zu betrachten lohnt den Aufstieg.
1967-69 wurde die Kirche innen und außen gründlich renoviert. Dabei wurden Kanzel, Decke, Taufstein, Grabplatten und Epitaphien restauriert. Bei den Arbeiten wurden auch spätmittelalterliche Fresken freigelegt.
Die Ausstattung der Kirche
Die spätbarocke Kanzel wird von einem Mose getragen, der die Gesetzestafeln in der Hand hält. Der Schalldeckel ist von einem auferstandenen Flammenchristus bekrönt, der die Schlange zertritt. Im Chorbereich und an der Außenwand der Kirche erinnern kunstvoll gestaltete Epitaphien, Gedenksteine und Porträts an bedeutende Pfarrer und Hofbeamte in Neuenstein. Die drei Chorfenster von W. D. Kohler - eingesetzt 1981-1984 - bilden den transparenten Hintergrund zum Gekreuzigten über dem Altar. Das linke Fenster zeigt Szenen aus dem Leben Jesu: Geburt, Taufe, Versuchung, Berufung des Zöllners, Hochzeit zu Kana, Sturmstillung, Segnung der Kinder, Gespräch mit der Samariterin, Heilung des Blinden und Auferweckung des Lazarus. Das mittlere Fenster wird beherrscht von dem wiederkommenden Christus auf dem Regenbogen, zu seinen Füßen das gläserne Meer mit den vier Evangelisten Matthäus (Mensch), Johannes (Adler), Markus (Löwe) und Lukas (Stier). Darunter erkennt man die sieben Engel mit dem Weckruf der Posaunen.
Motive auf dem rechten Fenster:
Jesu Einzug in Jerusalem, Abendmahl, Gethsemane, Verrat des Judas, Verleugnung des Petrus, Jesus vor Pilatus, Verspottung und Geißelung, Jesus trägt sein Kreuz, Abnahme vom Kreuz, die Frauen vor dem leeren Grab, Jesus zu Tisch, in Emmaus, Ausgießung des Heiligen Geistes. Das Kenotaph wurde 1977 nach sorgfältiger Restaurierung im Chor aufgebaut. Es zeigt wichtige Szenen aus dem Leben des Grafen Wolfgang Julius. Auf dem Kenotaph liegt ein Kreuz mit der Aufschrift "IN TE CONFIDENS MORIAR" (Dir vertrauend werde ich sterben). Diese Aufschrift gilt als Bekenntnis und Lebensmotto des Grafen und soll eine Ermutigung für kommende Generationen sein. In gleicher Weise erinnert die Vorbauinschrift "DISCE MORI" an die Vergänglichkeit alles Irdischen.
Friedrich Nagel
Quelle: Broschüre "Stadtkirche Neuenstein", Pfarrer Hesler, Dr. Taddey